Mängelgewährleistungsansprüche aufgrund Mangelverdachts

Mit Urteil vom 25.09.2012 hat das OLG Stuttgart entschieden, dass es für die Begründung von Mangelgewährleistungsansprüchen des Auftraggebers ausreichend ist, wenn sich beim Betrieb einer technischen Anlage zwar noch keine Mängel zeigen, bei Anlagen gleicher Bauart jedoch systembedingte Schädigen bekannt geworden sind.

Die Parteien schlossen einen VOB-Vertrag über die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit einer Aufzugsanlage, bei der eine Getriebeart verwendet wurde, die bei anderen Anlagen bei Nothalten zu Deformierungen des Haltesystems und damit zu einem Sicherheitsrisiko geführt haben. Daher wurden verschiedene Sachverständige beauftragt, die ein rechnerisches Sicherheitsrisiko feststellten. Nachdem der Auftraggeber nach Inbetriebnahme hiervon Kenntnis erlangt hat, verlangte er den Austausch des Getriebes, obwohl an seiner Anlage bisher keine Verformungen aufgetreten sind, streitig war also, ob die Leistung des Auftragnehmers mangelhaft war oder nicht.

Gemäß § 13 Nr. 1 VOB/B ist ein Werk mangelfrei, wenn es die vereinbarte Beschaffenheit hat und den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Diese Regeln sind geeignet, Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Sicherheit des hergestellten Werkes zu statuieren. Jedoch kann nach Auffassung des OLG Stuttgart auch ein Werk, welches entsprechend dieser Regeln errichtet worden ist, mangelhaft sein, wenn es aufgrund seiner Beschaffenheit eine dauerhafte Nutzung nicht ausreichend gewährleistet. Für die Annahme eines Mangels reicht ein auf konkrete Tatsachen gestützter Gefahrenverdacht aus, welcher vorliegt, wenn der Gebrauch des Werks risikobehaftet ist und ein Zuwarten bis zur Realisierung des mit der Mangelhaftigkeit einhergehenden Risikos für den Auftraggeber nicht mehr zumutbar ist. Mit dieser Rechtssprechung hält sich das OLG Stuttgart auch im Rahmen der Rechtssprechung des BGH zu dieser Problematik. Ist somit bei vergleichbaren Gewerken bereits ein Mangel aufgetreten, so ist der Besteller berechtigt, seine Mangelgewährleistungsansprüche bereits zu einem Zeitpunkt geltend zu machen, in welchem das für ihn hergestellte Werk zwar noch nicht eindeutig den Mangel zeigt, jedoch die Gefahr des Eintritts so nahe liegt, dass ihm ein Abwarten nicht abverlangt werden kann.

Weiterhin entschied das OLG Stuttgart, dass der Auftraggeber unter mehreren Maßnahmen zur Mangelbeseitigung im Rahmen der Selbstvornahme die sicherste wählen kann, auch wenn sich später herausstellt, dass die von ihm gewählte Maßnahme zu aufwendig war und preisgünstigere Alternativen bestanden hätten. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sich der Auftraggeber zuvor ausreichend hat sachverständig beraten lassen.

 

Weitere Auskünfte zu der Problematik des Mangels
aufgrund eines Gefahrverdachts erteilt Ihnen sehr gern
Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Tyroller.