Gebührenrecht – eine Einführung

I.   Einleitung

Bei der Annahme und Bearbeitung von Mandaten stellt sich für den Anwalt oft die Frage, welche Abrechnungsmöglichkeit gebührentaktisch am sinnvollsten ist, ohne dabei die interessengerechte Beratung des Mandanten aus den Augen zu verlieren.

Dabei gibt es keine Musterlösung für die Mandatsgestaltung, da die Abrechnungsmöglichkeiten immer vom Verlauf der konkreten Angelegenheit abhängt

Als Ausgangsfrage stellt sich dabei: Welche Mandatsgestaltung ist die für den Anwalt gebührentechnisch günstigste?

1. Zunächst die Erteilung eines Auftrags zur außergerichtlichen Tätigkeit und nur einen aufschiebend bedingten Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung, falls außergerichtliche Bemühungen erfolglos

oder

2. die sofortige Erteilung eines Auftrags zur gerichtlichen Geltendmachung? Grundsätzlich besteht keine Verpflichtung des Mandanten, sofort ein Klageauftrag zu erteilen. Er darf immer zunächst einen Auftrag zur außergerichtlichen Rechtsverfolgung und, im Fall des Scheiterns derer, separat dazu einen bedingten Klageauftrag erteilen.

II.  Fallkonstellationen

Wann welche Mandatsannahme zum Erreichen des Gebührenoptimums führt, hängt vom konkreten Einzelfall ab und wird im Folgenden an 3 Varianten dargelegt.

1.  Variante

Wenn der Gegner schon auf das erste anwaltliche Schreiben dem Mandatsbegehren nachkommt. z.B. die Forderung vollumfänglich bezahlt, ist es für den Anwalt günstiger, wenn er zunächst einen Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit und nur einen bedingten Klageauftrag erteilt bekommen hat.

Der Anwalt kann dabei infolge seines außergerichtlichen Tätigwerdens eine 1,3 – Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG abrechnen. Bei einer sofortigen Erteilung eines Auftrages darf er dagegen lediglich eine 0,8 – Verfahrensgebühr nach Nr. 3100, 3101 VV RVG abrechnen.

2.  Variante

Auch, wenn das außergerichtliche Aufforderungsschreiben erfolglos blieb und es zum Klageverfahren kommt, ist es gebührentaktisch günstiger, wenn der Anwalt zunächst einen Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit und nur einen bedingten Klageauftrag hatte.

Neben einer 1,3 – Verfahrensgebühr – abzüglich der Anrechnung einer 0,65 – Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG – und einer 1,2 – Terminsgebühr für die gerichtlichen Tätigkeiten, kann der Anwalt zusätzlich auch die außergerichtlichen Tätigkeiten abrechnen.

3.  Variante:

Anders liegt der Fall, wenn es im Rahmen des außergerichtlichen Tätigwerdens das Anwalts zu einer Besprechung im Sinne von Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG kommt und diese zu einer Einigung führt.

Der Begriff der „Besprechung“ setzt dabei nicht die gleichzeitige Anwesenheit der Gesprächsteilnehmer an ein und denselben Ort voraus. Ausreichend ist vielmehr jede Art der Besprechung, d.h. auch ein Telefonat mit der Gegenseite ist eine „Besprechung“ i.S.v. Abs. 3. (Checkliste: Tatbestandsvoraussetzung einer Besprechung nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG, siehe RVG professionell 1/2011, S. 5)

Da es aufgrund der Einigung eines gerichtlichen Verfahrens nicht mehr bedarf, ist es günstiger, wenn der Anwalt einen Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung sofort erteilt bekommen hat. Da er bereits einen Klageauftrag hat, kann er nunmehr [auch] eine Terminsgebühr abrechnen. Die stattgefundene Besprechung kann zwar in der Höhe der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG Berücksichtigung finden, jedoch ist die Summe der Gebühren bei einem sofortigen Klageauftrag immer noch höher.

Grundsätzlich gilt: Die Höhe der in Vorbem. 3 Abs. 3 VV RVG bestimmten Terminsgebühr beträgt einheitlich 1,2. Dabei ist es irrelevant, ob der Anwalt an einer streitigen oder unstreitigen Verhandlung teilnimmt – sei es vor Gericht oder ohne dessen Beteiligung.

Exkurs: Ausnahme bei Antrag auf Versäumnisurteil oder Prozess- oder Sachleitung

Eine Reduzierung der Höhe der Terminsgebühr auf 0,5 erfolgt aber durch Nr. 3105 VV RVG und den dort genannten Vorraussetzungen.

Kommt es anschließend aufgrund eines Einspruch zu einer weiteren Verhandlung, erhält der Anwalt eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG. Dies ist unabhängig davon, ob anschließend „streitig“ verhandelt wird oder ein zweites Versäumnisurteil ergeht (BGH NJW 2006, 2927). Die 0,5-Terminsgebühr entsteht jedoch nicht neben der 1,2-Terminsgebühr. Insgesamt kann nur eine 1,2-Terminsgebühr berechnet werden. Soweit die 0,5-Terminsgebühr bereits zuvor entstanden ist, erstarkt sie zu einer vollen 1,2-Terminsgebühr (MAV Mitteilungen, Oktober 2010, S.6).

 

III  Praxiserwägungen

Wie oben ausgeführt, wird deutlich, dass es in vielen Fällen für den Anwalt gebührentechnisch günstiger ist, wenn er zunächst nur einen Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit hat und sich nur einen bedingten Klageauftrag erteilen lässt.

Bei all den gebührentaktischen Überlegungen muss der Anwalt aber immer die Interessen des Mandanten berücksichtigen.
Kommt er unter Würdigung aller Umstände zu der Annahme, dass eine Klagerhebung nicht erforderlich sein wird, so gebietet die Pflicht zur interessengemäßen Beratung des Mandanten, sich nur einen bedingten Klageauftrag von diesem erteilen zu lassen.
Steht für den Anwalt dagegen fest, dass eine außergerichtliche Zahlung durch die Gegenseite keinesfalls zu erwarten ist, so sollte sofort ein Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung erfolgen, um dem Mandanten die Geschäftsgebühr neben der Verfahrensgebühr zu ersparen.

Um diese „getrennte“ Auftragssituation in späteren Verfahrensschritten darzulegen und notfalls beweisen zu können, sollten zwei getrennte Vollmachten – für die außergerichtliche Tätigkeit und der bedingte Klageauftrag – unterzeichnet werden.

Bei einer mündlichen Beauftragung sollte zudem der Inhalt des erteilten Auftrages in einem Bestätigungsschreiben an den Mandanten wieder gegeben werden.

Weitere Hinweise erteilt RA und FA Raphael-S. Tyroller