Vertretungsmacht des Verhandlungsführers

Der Bundesgerichtshof hat mit Entscheidung vom 27.01.2011 die Vertretungsmacht desjenigen, der zu einem Verhandlungsverfahren entsendet wird, klargestellt.

Danach gilt:

Der Vertretene, der auf Einladung zu einem Termin zur Verhandlung über einen bereits geschlossenen Vertrag einen Vertreter ohne Vertretungsmacht entsendet, muss sich dessen Erklärungen nach den zum kaufmännischen Bestätigungsschreiben entwickelten Grundsätzen anrechnen lassen, wenn er den im über die Verhandlung erstellten Protokoll enthaltenen und unterschriebenen Erklärungen des Vertreters nicht unverzüglich nach Zugang des Protokolls widerspricht.

Der Bundesgerichtshof stellt in der Entscheidung dar, dass der Erstellung eines Verhandlungsprotokolls regelmäßig eine Vertragsverhandlung vorausgeht, in der es erfahrungsgemäß zu Modifizierungen des bereits durch den Zuschlag zustande gekommenen Vertrages kommen kann. Denn es kann sich die Notwendigkeit erweisen, auf veränderte Verhältnisse zu reagieren oder noch offene Fragen zu klären. Entsendet der Auftragnehmer zu dieser Verhandlung einen Mitarbeiter, erzeugt er regelmäßig den Anschein, er werde durch einen Bevollmächtigten vertreten, wenn er das vermeintlich vollmachtlose Verhalten nicht sogar duldet und deshalb eine Duldungsvollmacht anzunehmen wäre. Auf diesen Rechtsschein kann der Auftraggeber vertrauen, weil er nicht damit rechnen muss, dass der Auftragnehmer auf eine Einladung zu einer Vertragsverhandlung über den durch Zuschlag zustande gekommenen Vertrag einen vollmachtlosen Vertreter schickt, es sei denn, es liegen besondere Umstände vor.

Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn die Einladung des Auftraggebers inhaltlich ausschließlich auf eine bloße Formalität gerichtet ist, mit der ein bereits geschlossener Vertrag lediglich urkundlich fixiert werden soll, in der Verhandlung dann jedoch vom Vertrag abweichende Vereinbarungen getroffen werden, für die der erschienene Mitarbeiter keine Vollmacht besitzt.

Die Grundsätze für das kaufmännische Bestätigungsschreiben gelten grundsätzlich auch hinsichtlich etwaig in Auftrag gegebener Nachträge. Insoweit ist es dem Auftragnehmer dringlichst anzuraten, mündlich erteilte Nachträge schriftlich zu bestätigen und für den Zugang der schriftlichen Bestätigung Sorge zu tragen. Dann wird nämlich der Vertragsschluss über das „kaufmännische Bestätigungsschreiben“ perfekt gemacht.


Weitere Hinweise erteilt Raphael-S. Tyroller,

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht